Tierbefreiung 55

Tierbefreiung 55

Liebe Tierrechtlerinnen und Tierrechtler,

ihr haltet nun die neue Ausgabe der TIERBEFREIUNG mit vielen unterschiedlichen Berichten und Hintergrundartikeln in euren Händen. Neu ist, dass ihr in der Mitte des Heftes nun den Rundbrief der Offensive gegen die Pelzindustrie findet und ihr darin jetzt regelmäßig über den Stand der Kampagnenentwicklungen informiert werdet.

Stefan Seidel widmet sich in der Titelgeschichte der Tierausbeutung im DDR-System, das bisher noch kaum untersucht worden ist. Er zeigt in seinem interessanten Artikel auf, wie der steigende Konsum von Fleisch, Eiern und anderen Tierprodukten mit der Verleugnung der Leidensfähigkeit von ‚Nutztieren’ einhergeht und zu einer vollkommen neuen Dimension von industriellen Tier’produktions’- und Verwertungsindustrien führte. Nur wenige DDR-BürgerInnen problematisierten diese Entwicklung und beklagten die damit einhergehende vollständige Entrechtung und Entfremdung der Tiere, denn Fleisch war das Nahrungsmittel Nummer eins. Sich vegetarisch ernähren und Aufklärung betreiben war in der Deutschen Demokratischen Republik schwierig und nur wenige Tier- und UmweltschützerInnen wagten diese „Störung des sozialistischen Zusammenlebens“, wie Stefan Seidel herausgefunden hat (ab S. 5).

In der Rubrik über Tierversuche könnt ihr euch u.a. über den Alltag in einer Tierversuchszucht und in einem Tierversuchslabor informieren, berichtet von Menschen, die selbst dort tätig waren und mittlerweile aus diesem tierverachtenden System ausgestiegen sind (S. 14-19). So berichtet eine Vegetarierin von ihrem Ferienjob in der Versuchstieranlage Harlan-Winkelmann bei Paderborn, wie sie Meerschweinchen und Mäuse unter anderem „warten“ und „abpacken“ musste, über ihre Schuldgefühle und über ihre Einsamkeit, die das Unverständnis ihrer Umwelt gegenüber ihrer ‚Empfindsamkeit’ den Tieren gegenüber auslöste. Denn: Es ist ja nur ein „Job“. In einem ausführlichen Interview erzählt eine ehemalige Studentin der Psychologie, die in einem Hamburger Labor in der Verhaltensforschung jobbte, von ihren Erfahrungen. Anfangs vollkommen in das Denk- und Handlungssystem der abgestumpften Forschungspraxis eingebunden, entwickelte sie nach und nach ein neues Bewusstsein darüber, was dort alltäglich mit Tieren geschah. Heute ist sie Veganerin und Tierrechtlerin. Eine Mut machende Geschichte.

Zoos erleben schon seit einiger Zeit eine ungeahnte Renaissance, im Fernsehen gibt es tägliche Soups über die Arbeit von PflegerInnen in Tierparks und über das Leben hinter Gittern – selbstverständlich kritiklos zugeschneidert auf ‚TierliebhaberInnen’, denen das Unrecht der Unfreiheit der Tiere egal oder zumindest nicht bewusst ist. Eisbärbaby Knut war in unserer Mediengesellschaft bisher der Höhepunkt der Verkitschung und Vermarktung von Lebewesen, um deren Individualität und Interessen es in Wirklichkeit gar nicht geht (S. 32). Wir berichten in dieser Ausgabe außerdem über eine neue Kampagne zur Schließung des Tierparks in Lübeck (ab S. 26), über das Elend von 100 Jahren Hagenbeck (S. 30) und über andere aktuelle Themen in Sachen Zoo und Zirkus.

Wie immer gibt es dazu eine Mischung aus Demoberichten, Meldungen aus der ganzen Welt, Buch- und Musikvorstellungen und Veranstaltungshinweisen. Im Bereich Philosophie teilt uns Espi Twelve seine Gedanken über mögliche kreative Aktionsformen mit (ab S. 51) und Colin Goldner schaut hinter die Fassade des ‚tierfreundlichen Heiligen’ Dalai Lama (ab S. 58).

Wir wünschen mutmachende und informative Lesestunden,
Eure Redaktion TIERBEFREIUNG