Hallo liebe Leser_innen,
in den letzten Jahren fällt mir immer wieder auf, dass auch progressive Ideen wie Veganismus und Queerness von der marktwirtschaftlichen Logik aufgegriffen werden können. Ein Musiksender veranstaltet einen Gay Day, auch andere Sender und Formate bedienen sich der Themen Queerness und Homosexualität. Einige Homophobe sehen Homosexualität sogar schon als Mode an, die auch heterosexuelle Menschen „verleitet“. Ähnlich steht es um den Veganismus. Seit etwa sechs Jahren springen sogar die Discounter-Ketten auf den Zug auf und versorgen uns mit Sojamilch, Aufstrichen und Fleischimitaten. Erst kürzlich stelle eine Discounter-Kette ihre Rezeptur für vegetarische Fleischimitate auf eine „verbesserte Rezeptur“ um – sie sind jetzt vegan. Nach der Fusion zwei weiterer Discounter-Ketten ging das Marketing sogar so weit und veranlasste, dass sämtliche veganen Produkte der Eigenmarken mit einem Kennzeichen versehen werden. Auch auf einigen Produkten von großen Lebensmittelherstellern sind mir vermehrt vegetarische bzw. vegane Hinweise aufgefallen. Dies ist aber ein Trend, bei dem Deutschland zum Beispiel Großbritannien noch hinterherhinkt. In einigen Ländern ist es schon lange keine Besonderheit mehr, dass viele Hersteller vegane Produkte kennzeichnen und Supermärkte mehr Produkte führen, die man in Deutschland vor zehn Jahren nur im Bioladen oder Reformhaus gefunden hätte. Verwundert war ich auch darüber, wie gut und günstig (selbst in Relation zu den dortigen Preisen) man in Tschechien vegane Produkte in Supermärkten einkaufen kann. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass sich die Marktwirtschaft aus dem gleichen Grund auf die vegane Sparte einstellt, der auch den Fleischkonsum stützt und anregt: Profitgenerierung durch die Befriedigung oder sogar Schaffung von Bedürfnissen.
Seit der letzten Ausgabe ist wieder einiges passiert. In der Wiener Neustadt hat der Prozess gegen die 13 Aktivist_innen begonnen, von denen zehn wegen angeblicher Verdunkelungsgefahr monatelang in U-Haft saßen. Ihnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung unterstellt. Auch in Hannover hat ein Prozess gegen fünf Aktivist_innen begonnen, die 2009 zum zweiten Mal das Grundstück für das Europäische Impfstoffzentrum für Massentierhaltung besetzt hatten, bis ein SEK sie fest nahm. Nahe von Celle wurde der Bauplatz für einen Schlachthof besetzt. Als recht fraglich stellt sich ein „Tierschutz Einsatz Kommando“ (TSEK) dar, das angeblich und nicht unmilitaristisch gegen Nerz„farmen“ vorgeht.
Auslöser für die Titelstory war ein Interview, das der deutschsprachige Tierrechts-Autor Helmut F. Kaplan einem Nazi-Medium gab. Dieses wird wiederum von einem Tierschutz-Newsletter verlinkt – trotz der eindringlichen Bitte eines Tierrechtlers, nicht als Multiplikator rechtsextremer Medien und Inhalte aufzutreten. In den letzten Jahren hat es sich herausgestellt, dass sich eine „Hauptsache für die Tiere“-Einstellung ausmachen lässt, der es an kritischer Sichtweise bezüglich der Diskriminierung von Menschen zu mangeln scheint. Das Titelfoto, für das wir uns sehr kurzfristig entschieden haben, zeigt den heutigen Vorsitzenden der Tierschutzpartei „Mensch, Umwelt, Tierschutz“ 2006 bei einer Mahnwache vor dem KZ Dachau. Einen Schritt weiter als die Titelstory führt das Interview mit der BerTA zu ihrer Umbenennung.
Auch in der TIERBEFREIUNG hat sich etwas getan. Wir begrüßen als neues Redaktionsmitglied Helena Lauinger und freuen uns, das neue Kultur-Ressort vorstellen zu können, in dem wir über Kunst, Film, Musik
etc. berichten werden.
Freude und Interesse bei der Lektüre.
Andre Gamerschlag