Markus Schaak – zwei Jahrzehnte Einsatz für die Rechte der Tiere

Aus: Jubiläums Ausgabe 2004 / 20 Jahre die tierbefreier e.V.

Markus Schaak war bis 2003 erster Vorsitzender des „tierbefreier e.V“. Kaum einer hat sich wie er über so viele Jahre mit so viel Engagement und persönlichem Einsatz für die Rechte der Tiere stark gemacht. Wir befragten ihn zu seinen Erfahrungen und Einschätzungen.

Vor 20 Jahren hast du den „Bundesverband der Tierbefreier“ mitgegründet. Erzähl mal bitte, wie es dazu kam und wie das alles dann anlief.

Vor 1985 gab es bereits mehrere sehr aktive und erfolgreich arbeitende Gruppen von autonomen TierbefreierInnen. Durch leichtsinnige JournalistInnen wurden mehrere Aktionen gefährdet und etwas später geriet durch den gezielten Verrat eines getarnten Journalistenspitzels namens Georg Santana, der heute wieder unbehelligt im Stuttgarter Raum lebt, eine norddeutsche Gruppe ins Netz der Fahnder.

Um den Puffer zwischen AktivistInnen und Öffentlichkeit zu verbreitern, wurde 1985 der „Bundesverband der Tierbefreier“ gegründet. Also setzten wir uns in Düsseldorf (oder war es Dortmund ?) mit rund 40 Aktiven im Hinterzimmer einer Kneipe zusammen und überlegten, wer die Öffentlichkeitsarbeit macht oder wer lieber unerkannt weiter arbeiten möchte. Kontakt zu JournalistInnen pflegen, eigene Aktionen, „im Stil von Greenpeace“, wie wir immer sagten, und Material aus Aktionen an die Öffentlichkeit bringen waren unsere ersten Aufgaben. Es gab auch bereits das regelmäßige „Rundschreiben“ an alle UnterstützerInnen, der Vorläufer zur Tierrechtszeitung „Tierbefreiung“.

Wie bist du persönlich dazu gekommen, dich für Tiere einzusetzen?

Im Grunde bereits mit 15 Jahren. Der Vogelmord in Italien, das Robbenschlachten in Alaska und der Stierkampf in Spanien waren die ersten Themen für mich. Das war 1978. Später dann über die TierversuchsgegnerInnen und „Latsch“-Demos, wie sie oft genannt wurden, zu Andreas Wolff und dann zum „Bundesverband der Tierbefreier“. Warum ich mich für Tiere und nicht für Kinder einsetze wurde ich oft gefragt – und ehrlich gesagt, gehörte diese Frage für mich immer zu den schwierigsten. Ich könnte jetzt viel erklären, warum und weshalb, doch eigentlich weiß ich es bis heute nicht. Jetzt mit 40 bin ich mir sicher, dass es zumindest vor 20 Jahren kein Fehler war, das eine zu tun und das andere erst mal zu lassen. Heute weiß ich, dass mich die Wehrlosigkeit, die Hilflosigkeit der Opfer und die Grausamkeit der Täter, sei es gegen Menschen, gegen Tiere oder gegen die Natur, in Aufruhr versetzt und mich zu Aktionen und Protesten treibt.

Welche Rolle spielte die englische Tierrechtsbewegung und vor allem die dortigen Aktionen der ALF für die deutschen TierversuchsgegnerInnen?

Eine ganz entscheidende Rolle. Ich bin mir sicher, dass zumindest für die neuere Geschichtsschreibung (so ab 1979) die Idee, Tierrechte nicht nur mit Unterschriftenlisten zu erbetteln, sondern mit Tierbefreiungen und aktiver Sabotage zu erkämpfen zweifelsfrei eine englische Inspiration war.

Anfang der 80er konnte man in den Zeitungen von den Aktionen der englischen TierbefreierInnen, sprich ALF, lesen. Dass dies auch in Deutschland funktioniert, hatten erstmals Andreas Wolff und seine AnhängerInnen mit Erfolg ausprobiert. Er erzählte mir mal, dass seine Aktivitäten auf den Berichten der ALF-Aktionen aus England beruhten.

Welche Aktionen/Ereignisse waren für dich die Höhepunkte bei „die tierbefreier“? Gab es direkte Erfolge?

Es gab wunderbare Befreiungen und klasse Protestaktionen. Jede Aktion ist notwendig und unverzichtbar, nur manche sind unvergesslich. Natürlich macht die Pressearbeit mehr Sinn und Spaß, wenn das notwendige Medieninteresse vorhanden ist.

So wie bei der Pressearbeit zum Brandanschlag auf Anton Pohlmanns leere Hühnerkäfighalle. 20 Millionen DM Schaden, da wird die Presse hellhörig. Für TäterInnentipps wurden mir 100.000.- DM vom Versicherer der Alten Leipziger angeboten. Die AktivistInnen wurden nie ermittelt. Oder die Beagle- und Foxhound-Befreiung beim Versuchstierzüchter Erkrath 1996 in der Nähe von Hanau.

Ein Gewölbekeller voll mit 98 Hunden, die auf ihre Weiterverteilung warten, ist ein atemberaubender und kaum zu beschreibender Anblick. Besonders viel Freude machte mir die Zersägung des Springhindernisses vom Olympiaspringreiter Ludger Beerbaum, der zum Pfingst-Turnier nach Wiesbaden 1993 kam. Während der Liveübertragung des Hessischen Rundfunks wurde mit 20 TierrechtlerInnen als Schutzschild das Hindernis zersägt. Klappte wunderbar. Presse und 15.000 entgeisterte PferdesportfreundInnen gratis.

Direkte Erfolge sind schnelle Erfolge – die sollte man nicht erwarten. Wir stehen heute vor einer in der Bevölkerung weit verbreiteten neuen Wahrnehmung des Tierleids. Das ist schon mehr als ich mir erhoffte. Die Folge dieser Wahrnehmung ist deutlich sichtbar. Mit Tierleidprodukten lässt sich immer schlechter Geld machen. Käfigeier, Pelzmäntel, Massentierhaltung, Stierkampf, Vogeljagd: alles ist am Wegbrechen. Es ist viel erreicht. In 20 Jahren werden die meisten fassungslos auf die begangenen Verbrechen an Tieren zurückblicken.

Wenn du jetzt zurückschaust auf die letzten 20 Jahre, wie würdest du die Arbeit des Vereins beurteilen? Hättest du dir mehr erwartet?

Ja, ich hatte immer gehofft, dass wir ein finanziell unabhängiger und viele tausend Mitglieder zählender Verein werden würden, auch zur Not mit Einsatz von DrückerInnen. Wir hätten mit den Geldern viele schöne Sachen machen können.

So fließt und versickert das Geld in den Händen von zweifelhaften Organisationen. Zumindest sind wir nach wie vor eine sehr flexible Truppe, die keinen Vereinsklüngel betreibt.

In der Geschichte von „die tierbefreier“ gab es ja immer wieder Hausdurchsuchungen und Repression. Wie geht man damit um?

Das ist klar. Wir lehnen uns frech aus dem Fenster und offenbaren grausamste Taten (Tierhaltung, Tierversuche), die gut für den Profit sind, aber schlecht für das Ansehen der Firmen. Wie bei einem Tennismatch. Schlagen wir den Ball übers Netz, kommt er als Hausdurchsuchung und andere Schikanen zurück. Vor der Polizeiarbeit hatte ich immer größten Respekt. Den sollte man auch, wenn man nicht vorzeitig hinter Gitter verschwinden möchte oder Unsummen als Schadensersatz zahlen möchte. Meine tiefste Verachtung hingegen gilt den AmtsrichterInnen.

Aus vorauseilendem Gehorsam wurden und werden Grundrechte wie der Schutz der Wohnung oder das Post- und Telefongeheimnis ausgehebelt und immer leichtfertiger Hausdurchsuchungsbeschlüsse erteilt. Bei mir waren es so zwischen 15 und 20 Durchsuchungen. Aus den Akten ging manchmal hervor, dass das zuständige LKA bat, von einer weiteren Durchsuchung abzusehen, da man in einer anderen Angelegenheit bereits am Tag zuvor erfolglos durchsucht hatte. Hausdurchsuchungen, und deswegen werden sie meistens angeordnet, gehen natürlich auch etwas an die Nerven. Gerade wenn man Haustiere oder Kinder hat. Auch schlecht für die meisten, die noch bei ihren Eltern wohnen oder zur Untermiete. Daher sollen Hausdurchsuchungen auch eher zermürben und von weiteren Aktivitäten abschrecken.

Es wurden immer wieder AktivistInnen unterstützt, die bei autonomen Aktionen erwischt worden waren. Was waren denn die für die AktivistInnen und das Rechtshilfekonto „verheerendsten“ Aktionen?

Ein Anschlag auf einen Schlachthof bei Ulm sowie eine Nerzbefreiungsaktion in Gönnersdorf waren sehr teuer. Zusammen 130.000.- DM. Die Summe konnte dank vieler Einzelspenden, Solikonzerte und anderer Vereine aufgebracht werden. Grundsätzlich soll die Rechtshilfe ausschließlich für die Erstattung der Anwalts- und Gerichtskosten dienen. In den beiden Fällen wurde aber auch gezielt für die Begleichung der zivilrechtlichen Ansprüche mit Erfolg gesammelt. Unterm Strich überwiegen natürlich um ein 1000faches die Aktionen, für die keine Rechtshilfegelder gezahlt werden müssen.

Warum hast du dich Ende der 90er aus der aktiven Arbeit zurückgezogen?

Nun ja, so ganz ja nicht. Ich hatte aus beruflichen Gründen nicht mehr die Zeit, um den Kopf für intensive Tierrechtsarbeit frei zu haben. Dazu kam auch die Zeit, die meine zwei Kinder für sich beanspruchen. Mein Herz hängt nach wie vor an der Tierrechtsarbeit und wo immer ich es kann, werde ich sie unterstützen. Nach 15 Jahren im Fadenkreuz der Ermittler genieße ich es jetzt, aus der zweiten Reihe die Tierrechsarbeit zu unterstützen. Außerdem finde ich den Wechsel hervorragend gelungen.

Neue Gesichter und neue Ideen sind für „die tierbefreier“ eine wahre Bereicherung. Ich habe viele Vereine erlebt, die sich nach dem Rückzug oder Tod des Vorsitzenden in die Bedeutungslosigkeit begeben haben. Dieses Schicksal ist dem „tierbefreier e.V.“ erspart geblieben. Auch hat sich nach 20 Jahren die Konstruktion bewährt, dass faktisch nicht der 1. Vorsitzende das Sagen hat, sondern die Aktiven im Verein.

Wie beurteilst du den heutigen Stand der TR-Bewegung? Was sind für dich die Gründe dafür, dass sich heute wesentlich weniger Menschen für Tierrechte einsetzen als noch vor 10 Jahren?

Ich finde nicht, dass die Masse es ausmacht, sondern die Qualität der Arbeit. Mit „die tierbefreier“ und PETA finde ich die Tierrechtsarbeit gut positioniert. Was nutzen zehn Tierrechtsfestivals im Jahr? Treibjagden zu stören macht Spaß. Aber letztlich kommt es darauf an, dass sich unsere Energie sinnvoll gebündelt entfalten kann. Wie bei P&C, C&A oder andere Aktionen, die mit Erfolg gekrönt waren oder werden.

Was würdest du abschließend neuen Leuten mit auf den Weg geben?

Und auch den Alten: Kräfte einteilen! Wir brauchen einen langen Atem. Niemanden ist geholfen, und am wenigsten einem selbst, wenn man sich nach 2, 3 oder 5 Jahren kraftlos, einsam und deprimiert zurückzieht. Tierrechtsarbeit sollte trotz der Ernsthaftigkeit des Themas auch mit Freude und Freunden betrieben werden. Als Kraft spendender Pol sind Aktivitäten nicht schlecht, die einem auch mal von dem Elend ablenken. Wir werden in der Tierrechtsarbeit mit den grausamsten Bildern konfrontiert. Das geht nicht spurlos an den meisten vorbei. Bei Rettungsdienst, Feuerwehr etc. ist mittlerweile ein psychologischer Dienst installiert, der hilft, grausame Bilder zu verarbeiten. Um einsatzfähig und gesund zu bleiben, sollte sich niemand scheuen, solche psychologischen Hilfen in Anspruch zu nehmen. Es ließe sich noch vieles sagen, aber eines ist mir noch wichtig: In den letzten Jahren wurde viel Energie, Zeit, Kraft und Geld in erfolglose Auseinandersetzungen investiert, die zum Ziel hatten, andere Gruppen, die sich in der Tierrechtsarbeit bewegen, als BetrügerInnen, schlechte VeganerInnen oder sonst was zu entlarven. Damit sollte an die Adressen von allen Schluss sein. Mir hat ein Interview gefallen, in dem ein Greenpeacesprecher über die (umstrittenen) Aktivitäten des WWF befragt wurde und zur Antwort gab: „Ich kann Ihnen nur über den Sinn unserer Arbeit Auskunft geben und nicht über den Sinn der anderen Vereine und Gruppen.“ In diesem Sinn.

Wir bedanken uns herzlich für das aufschlussreiche Interview und wünschen dir für die Zukunft alles Gute!