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Wir beschäftigen uns in dieser Ausgabe der TIERBEFREIUNG mit dem Themenkomplex der zuhause gehaltenen Tiere, der „Heimtiere“. In der Tierbefreiungsbewegung und der Tierrechtsbewegung scheint ihre Ausbeutung wenig Aufmerksamkeit zu finden, obwohl der Schaden, den diese Industrie anrichtet, enorm ist. Dabei zeigt die Betrachtung aus liberatorischer Perspektive durchaus interessante Intersektionen zu anderen Ausbeutungsstrukturen auf; offenkundig ist der Nutzen für die tier*körperverarbeitende Industrie, die den Nahrungsbedarf von „Heimtieren“ zu kapitalisieren weiß. Aber auch Abhängigkeiten zwischen der erweiterten „Heimtier“-Logik und nationalistischen, kolonialistischen und rassistischen Fundamenten sind nicht von der Hand zu weisen. Ebenfalls finden sich Elemente bürgerlichen und anthropozentrischen Denkens in der Haustierifizierung fühlender Individuen. Vielleicht trägt der tierschutzdurchtränkte Diskurs um dieses Thema dazu bei, dass wenige radikale Stimmen sich in die Nähe dieses Themas wagen. Wir hoffen, mit dieser Ausgabe dazu beizutragen, hieran etwas zu ändern. Dazu haben wir, wie es oft unser Ziel ist, eine Mischung aus praktischen und theoretischen Gesichtspunkten in neun Artikeln zusammengestellt.
Editorial
Liebe Leser*innen,
auch wenn wir uns alle sicher auf den Frühling freuen, die ausgiebigen Regenfälle in der letzten Zeit haben hoffentlich der Natur gutgetan, und Vorfreude ist ja bekanntlich die beste Freude.
Der „vegane Zug“ rollt schneller und schneller. Könnte mensch meinen. Nicht nur, weil nun auch die Deutsche Bahn in den Boardrestaurants vegane Gerichte anbietet. Jedes fünfte in Deutschland neueingeführte Produkt ist vegan.[1] Auch die Fleischproduktion ist im Jahr 2022 um 8,1 Prozent gesunken.[2] Das ist schön. Aber ich bezweifele, dass das Gros der Gesellschaft wirklich bereit ist sein Verhältnis zu nichtmenschlichen Tieren zu verändern. Der ethisch motivierte Veganismus wird weiter mit jedem „Veganuary“ und jeder „Vegan-Fresskalation“ verwässert. In den Supermarktregalen findet ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Großkonzerne statt, die ihren Profit machen mit einem „Veganismus“, der seiner ursprünglichen Definition nicht ferner sein könnte. Nicht weil sie plötzlich Mitgefühl entwickeln, sondern weil vegan ein „Markt“ geworden ist. Immerhin: Es gibt keine Ausreden mehr, dass vegane Ernährung „zu kompliziert“ oder „zu teuer“ sei …
Die Nachfrage nach Fleischersatzprodukten steigt – vegan, vegetarisch, mit oder ohne Insekten: Gut fürs Klima und das eigene Gewissen. Unser Planet hat Fieber, die Klimaerwärmung kann nicht mehr geleugnet werden. Etwas für das Klima zu tun (aber auch nicht zu viel), liegt im Trend. „Fleischkonsum reduzieren“ lautet das Mantra der Gesellschaft. Die „planetare Diät“ leistet temporären Klimaschutz auf dem Teller. Aber ansonsten können wir gerne weitermachen wie bisher. Die nichtmenschlichen Tiere sind in diesem „Spiel“ längst raus.
Es treibt mich um, auf welche abstrusen Gedanken mensch noch kommt, um sich um das eigentliche Problem herum zu mogeln.
Ich wünsche uns allen einen guten und kraftvollen Frühling,
mit vielen Aktionen, denn der Kampf gegen Ausbeutung wird und muss weitergehen!
Anna Huber
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1360860/umfrage/vegane-lebensmittel-neueinfuehrungen-laender/
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_051_413.html#
Aus dem Titelthema:
- Titelthema
Intro
Instrumentalisierung von nichtmenschlichen Tieren bei Einsamkeit menschlicher Tiere
Klein und unterschätzt – Nagetiere und Kaninchen
Eine unvollständige Geschichte der Heimtierhaltung
Heimtierbedarf – das Milliardengeschäft mit der Doppelmoral
Es gibt keine Rassen – Eine kurze Übersicht
Zucht und Ordnung Kommodifizierung nach Kund*innenwunsch
„Rettung“ von nichtmenschlichen Tieren
Streicheln schließt Ausbeutung nicht aus
Rezension: Ein Tierpathologe berichtet über das Leiden der Heimtiere - Aus dem Inhalt
Rezension: Pferden Freiheit schenken von Andrea Höhse
Animal Climate Action löst sich auf
Spendenaufruf für die Tierklinik in Charkiw/Ukraine
Global Climate Strike: Anti-Spe-Block in Dresden
Wahnwitzige Neubaupläne im Krefelder Zoo
Zoo Magdeburg: Grenze zwischen Zirkus und Zoo verwischt
Trauerspiel um Magdeburger Menschenaffen
Lebenshöfe
Befreiungen und SabotagenAusgabe 118
67 Seiten DIN A4
Erschienen im April 2023