Liebe Leser_innen,
Kaum ein Jahr vergeht ohne einen Fleischskandal: BSE, MKS, Gammeldöner, Dioxin. Doch nie führte der kurzfristige Pressehype in einem solchen Maß zur Thematisierung alternativer Ernährungsweisen wie die derzeitige Welle. Der Spiegel titelt am 17.1. „Die Vegetarier-Welle: Besser leben ohne Fleisch?“ und schreibt „Der Dioxin-Skandal gibt dem Trend zur Fleischlosen Kost Auftrieb“. Der Stern titelt am 20.1. „Fleischlos glücklich. Warum es heute hip ist, vegetarisch zu essen“: „Sie wollen die Moral zurück in unser Essen bringen und haben gute Argumente. Fleischverächter gelten als cool und modern – und genießen Zuspruch wie nie“. Sogar die BILD Hannover schreibt am 19.1. unter dem großen weiß-roten „Lebe ich als Vegetarier wirklich gesünder?“ überraschend positiv. Unser Redakteur Jonas Schmidt wurde eine Woche zuvor mit einer Vegetarierin und einem Frutarier von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung interviewt. Die Zeit schrieb am 20.10. unter „Wird es dem Kotelett ergehen wie der Zigarette? Die Folgen des Dioxinskandals für die Massentierhaltung“, dass Fleischkonsum in den gesellschaftlichen Leitmilieus out sei. Auch in den Diskussionsrunden und Berichterstattungen im Rundfunk ist das Thema dominant wie nie. Bemerkenswert ist die positive Darstellung von Vegetarismus und sogar Veganismus in der Presse – im Gegensatz zu einigen Diskussionsrunden im Fernsehen. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen Veganismus als graue, langweilige Ernährungsweise angesehen wurde, die zu Unterernährung, Krankheit oder sogar Tod führt. Sogar in der BILD wird als Nachteil nur der B12-Mangel genannt, aber auch, dass diesem mit Nahrungsergänzungsmitteln oder einer Kombination aus Hülsenfrüchten entgegengewirkt werden kann. Nicht nur, dass Fleischlose Ernährungsweisen als unproblematisch und sogar als cool und trendy dargestellt werden… alle Artikel nennen die gesamte Bandbreite der Argumente, die dafür sprechen: das Leid der Tiere, die Vernichtung von Protein in der „Fleischproduktion“, der CO2-Ausstoß etc. In Anbetracht früherer Fleischskandale ist klar, dass Thema ist bald wieder vom Tisch und auch das Dioxin ist dann wieder vergessen. Dennoch wird der aktuelle Vegetarismus/Veganismus-Hype bei vielen mit Vorurteilen aufgeräumt, das Image dieser Ernährungsweisen verbessert und die dahinter stehenden Gedanken bekannter gemacht haben. Leider wäre es weltfremd zu glauben, dass dies den Anfang einer grundlegenden Wende in der Betrachtung der Mensch-Tier-Verhältnisse darstellt. Dies gilt besonders, weil die Tierrechts-Aspekte in der Diskussion unterschlagen werden und selbst die Tierschutz-Aspekte nur Beiwerk zu ökologischen und gesundheitlichen Argumenten sind.
Inhaltlich haben wir uns wieder um eine bunte Mischung bemüht. Neben den wichtigsten Meldungen der letzten Monate, einem Interview mit Redaktionsmenschen eines Tierbefreiungsradios und Demoberichten gibt es einen ausführlichen Artikel zum Thema „Hetze oder berechtigte Kritik?“. Ihr bekommt Einblicke in die Erlebnisse und Erfahrungen eines Tierrechtsrecherche-Teams, wir stellen euch neu erschienene Bücher vor und haben die erste Ausgabe von Jens Grotes Kolumne am Start, die ho¤entlich zu etwas Erheiterung beiträgt. In der Titelstory lassen wir die letzten Wochen des österreichischen Tierschutzprozesses Revue passieren und bringen euch auf den neuesten Stand – ein Betroffener schildert in einem Interview zudem seine Eindrücke und Emotionen.
Eine angenehme Lektüre
Andre Gamerschlag